Erfüllt von grolßer innerer Unruhe, war für Christian Hess vor allem der noch nicht gelebte Augenblick von großer Bedeutung. Er liebte deshalb die Natur mit ihren unberechenbaren chromatischen Veränderungen, das menschliche Antlitz, in welchem er Gefühl und Emotion festhielt. Diese Liebe findet sich auch in den lichtdurchfluteten Landschaften und den Porträts, die mit viel Intuition erfasst werden, so der Blick der Menschen in zarter Melancholie.
Ein weiteres wichtiges Thema im Werk von Hess ist die Frau: streng formal in den akademischen Zeichnungen, stark und sinnlich in den Werken der mittleren Phase und fast statuarisch in den Ölbildern der Reifezeit.
Was im Werk von Hess bis zum Jahr 1927 weniger wichtig schien, war die Episode. Die Lust, Geschichten und Zustände zu erzählen, wurde ihm in Sizilien durch Land und Leute nahe gebracht.
Die malerische Sprache von Hess auf Sizilien, geschult an der expressionistischen Manier, findet ihre Chromatismen in einer einfachen und spontanen Kultur, die er in ausdrucksstarke Bilde umsetzt.
Er ging unter die Leute, beobachtete die Menschen in ihrer Arbeit und vor ihren ärmlichen Häusern gelingt es ihm, vor allem in den Aquarellen atmosphärisch reiche Begegnungen wieder zu bringen.
So entstehen zwischen 1927 und 1934, 1936 und 1938, lyrische Werke wie Wagen der dritten Klasse, der Wahrsager, Dieb und Carabiniere, die Frauen von Messina, der Schnitter von Agrigent. Es reifen nachdenkliche und monumentale Werke wie Fischer von Taormina, Selbstporträt auf dem Boot, die Rast der Maurer. Es leben jene den Erzählungen und Romanen Vergas entsprungenen Figuren wieder auf, die im gleißenden Mittagslicht ihren Platz inne haben.
Will man nun alle sizilianische Landschaften von Christian Hess katalogisieren, in welchen Episoden im Zentrum des Geschehens stehen - etwa Gleis und Fahne oder Weinberge auf den Hängen der Peloritanischen Berge bis zu den sonnendurchfluteten Stränden und dem Tal der Tempel -, sind die später in Deutschland entstandenen Werke nicht einzubeziehen.
In der Erinnerung von Christian Hess sind nämlich die Farben des Mittelmeers so verwurzelt, dass sie seine expressionistische Manier in einem letzten Aufbruch von Ausdrucksstärke entscheidend beeinflussten. 1939 spürte Hess nach dem italienischen Intermezzo und dem Aufenthalt in der Schweiz den Höhepunkt seiner künstlerischen Arbeit herannahen. In Deutschland hatte sich freilich die Kunst inzwischen anderen "Machthabern" zu beugen.
So versuchte nun Hess seine Abneigung und Gegenwehr gegen das totalitäre Regime in seiner Malerei zu thematisieren, in der Technik des späten Kubismus und des Abstrakten. Kunstformen, die er bereits viele Jahre vor dem Abschluss von Arbeiten wie Der Schachspieler (1931), Kopf und Hand, und zerbrochene Töpfe (1932), Melanzane mit Holzmaß, Stilleben mit Zeitung, Tauben auf der Terrasse (alle 1933), Stilleben vor dem Fenster (1934) für sich entdeckt hatte.
Indem wir nun an das Werk von Christian Hess erinnern, fühlte ich mich auf Du und Du mit dem Künstler und in Tuchfühlung mit den Figuren und Personen seiner Malerei. So habe ich mir ihre Gedanken, Geheimnisse und Erfahrungen vergegenwärtigt, habe sie in Worte gegossen im festen Glauben, dass das malerische Werk von Hess einem zutiefst poetischen Ursprung verpflichtet ist.